Longa Dressler
7 min readJan 23, 2018

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Dieses ist ein kurzer Auszug aus meinem Buch (in Deutsch geschrieben-gute Englischkenntnisse beim Lesen jedoch von Vorteil, wegen der Fußnoten):

“Empathie als wichtiger Schlüsselfaktor der interkulturellen Kompetenz

Empathie-Sensibilisierung im Führungskräfte-Coaching”

„Jede Situation, jede Beziehung und jede Gruppe, der wir uns anschließen, ist eine Gelegenheit, das kulturelle Klima zu schaffen, das wir mögen. Wir können ein Klima des Mitgefühls oder der Angst schaffen, je nachdem, was wir mit unseren Fehlern und unseren Urteilen über uns selbst und andere machen.”[1]

Durch die Globalisierung[2] rückt Interkulturelle Kompetenz (IK) zunehmend in den Mittelpunkt von Führungskräften. Denn die Führungskräfte müssen in vielerlei Hinsicht Probleme im Alltag lösen und dies häufig global und kulturübergreifend. Dafür benötigen sie Interkulturelle Kompetenz. Interkulturelle Kompetenz wird einerseits in der Forschung behandelt, man findet allerdings ebenso viele praktische Bücher und Trainings zu dem Thema. Gerade für Führungskräfte und Projektleiter werden zudem individuelle Coachings angeboten. Herleitend aus der Wissenschaft wird in allen Bereichen auf den Faktor Empathie als bedeutsamen Teil der Interkulturellen Kompetenz hingewiesen. Empathie gilt als Überwinder von Barrieren und ist im Kontakt zu Menschen anderer Kulturen notwendig.[3] Überhaupt ist Empathie wiederholt ein Schlagwort, wenn es darum geht, Lösungen für die großen Probleme der Menschheit zu finden. So glaubt Stephen Hawking, dass Empathie die Zukunft der Menschheit retten kann.[4]

Doch auch Nicht-Wissenschaftler[5] schließen sich damit an, dass Empathie äußerst wichtig ist, um die großen Themen zu lösen. So betont der Dalai Lama immer wieder, dass Empathie die Basis für den Umgang mit dem anderen ist. [6]

Und noch deutlicher bringt es Calloway-Thomas bzgl. Interkultureller Kompetenz auf den Punkt, wenn sie sagt, dass Empathie den wichtigsten Faktor der interkulturellen Beziehungen darstellt.[7]

In vielfacher Hinsicht ist Empathie somit eine Schlüsselkompetenz, die aus verschiedenen Fachrichtungen betrachtet und je nach Autor oder Wissenschaftsbereich etwas anders ausgelegt wurde und wird. Dabei gibt es viele Bereiche: z.B. Philosophie, Theologie, Soziologie, Psychologie, Neurologie, Kulturwissenschaft oder Pädagogik setzen sich mit Empathie auseinander, natürlich auch Medien, Kunst und Literatur. Es lohnt sich, dieses zu verknüpfen und Empathie speziell unter dem Blick der Interkulturellen Kompetenz zu betrachten. Dabei ist es meiner Meinung nach spannend, die folgende grundlegende Frage besonders zu vertiefen: „Wenn Empathie ein so wichtiger Schlüsselfaktor interkultureller Kompetenz ist, wie kann man es lernen?“

1.1 Einleitung und Definition

“I believe empathy is the most essential quality of civilization.”[8]

Empathie als Begriff gibt es erst seit etwas mehr als hundert Jahren.[9] Und obwohl gerade heutzutage in aller Munde, wird der Begriff sehr unterschiedlich gedeutet. Folgende Sichtweisen zeigen, wie unterschiedlich der Begriff genutzt werden kann. Jean Decety und William Ickes stellen Empathie aus verschiedener Forschungen und Sichtweisen zusammen. Einige Beispiele:

· Unbewusstes Imitieren (Mimicry)

· Die Projektion der eigenen Gedanken und Gefühle auf andere

· Sich in andere hineinversetzten (Perspektivwechsel)

· Das Wissen und Verstehen um die Gefühle oder Gedanken des anderen (kognitive Empathie)

· Das Fühlen, was der andere fühlt (Mitgefühl oder mitfühlende Empathie)

· Empathie als Reaktion auf das Leid anderer (Mitleid, Mitsorge)

· Empathie aus evolutionärer und neuro-anatomischer Sicht (Biologie)

· Empathie als Instinkt

· Empathie als Resonanz (aus neurowissenschaftlicher Sicht/Gehirnforschung)

· Ein komplexer affektiver-inferentieller Prozess, welcher sich in pro-soziales Verhalten übersetzen lässt

· Ein fundamentaler Aspekt der sozialen Entwicklung, welcher von Erziehern dringend unterstützt werden muss

· Empathie hat kognitive, affektive und Verhaltens-Anteile und ist ein geistiger und biologischer Prozess[10]

Da es völlig unterschiedliche Beispiele gibt, wie Empathie definiert wird, möchte ich folgende verbindende Definition anbieten, wissend, dass diese lediglich als eine nicht festgefügte Orientierung[11] dienen kann:

„Empathy is the art of stepping imaginatively into the shoes of another person, and understanding their feelings and perspectives, and using that understanding to guide your actions.”[12]

Diese Definition integriert meiner Meinung bereits wichtige Elemente von Empathie: Kognition und Perspektivwechsel, Emotionen, aber auch die Resonanz, also das, was zur Umsetzung bzw. dem pro-sozialen Handeln führt.

3.2.6. Empathie-Fähigkeit erlernen

„The clinician must excavate a sadness the patient hasn´t identified, must imagine a pain Stephanie can´t fully experience herself.” [13]

Trotz aller Einschränkungen lässt sich festhalten, dass Empathie eine der wichtigsten interkulturellen Schlüsselkompetenzen[14] darstellt und diese im Zuge der Globalisierung[15] mehr denn je benötigt wird.

Deshalb stellt sich auch im Hinblick auf ein Coaching die Frage, wie man es lernen kann. Dazu gehören erst einmal begünstigende Faktoren, die außerhalb des Coachings liegen:

· Empathie lernt der Mensch durch Urvertrauen, insbesondere durch eine sichere Bindung[16], Erziehung und Nachahmung.

· Empathie nimmt mit dem Alter und der Erfahrung zu.[17]

· Selbst-Empathie[18]: Damit eine Person langfristig empathisch sein kann, muss sie zuallererst lernen, möglichst in der Kindheit, sich selbst gegenüber empathisch zu sein, also Gefühle wahrzunehmen und sich selbst zu verstehen und hineinzufühlen u.a.[19]

· Empathie ist auch ein Teil der Moral-Bildung in der Kindheit. Das Verstehen des Anderen bis hin zum Mitleiden sichert das Zusammenleben in der Gruppe, führt aber auch dazu, dass Menschen moralisches Verhalten entwickeln und das hierfür notwendige schlechte Gewissen ausbilden.[20]

· Empathie lernt man, indem man zunächst sehr aufmerksam eigene Gefühle und jene des anderen wahrnimmt. Wahrnehmung ist der erste Schritt.[21]

· Und letztlich kann auch ein Unternehmen FK dabei unterstützen, Empathie zu lernen, oftmals fehlt hier die Diversität. Manager befördern ihresgleichen und müssen sich somit nicht in „Andere“ hineinversetzen und hineinfühlen — das tägliche Empathie-Training, sich in „Fremde“ hineinzuversetzen, fehlt .[22]

Fußnoten:

[1] (Kelly Bryson Berater, Psychologe und Autor)

[2] „Globalisierung ist ein dynamischer Prozess, der die wirtschaftliche Vernetzung der Welt durch den zunehmenden Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften vorantreibt, die wirtschaftliche Bedeutung nationaler Grenzen ständig verringert und den internationalen Wettbewerb intensiviert; so dass durch das Zusammenwachsen aller wichtigen Teilmärkte die Möglichkeiten internationalen Arbeitsteilung immer intensiver genutzt werden, sich der weltweite Einsatz der Ressourcen laufend verbessert, ständig neue Chancen aber auch Risiken entstehen und die nationalen und internationalen politischen Akteure gezwungen sind, sich verändernde Rollen bei der Gestaltung der Globalisierung zu übernehmen, die eine Zunahme interkultureller Interaktionen und Herausforderungen mit sich bringen.“ (Koch 2014, S.9f)

[3] „Empathy is the highest form of communication competence since it enables a person to sense what another person is thinking and feeling and it is essential for effective cross-cultural communication.“ (Maude, S.45)

[4] „…Aggression is the human race’s biggest failing and it “threatens” to destroy us all.…Empathy brings us together in a peaceful loving state.. “(Hawking -The Independent, 12. February 2015)

[5] “Empathy can create a revolution. Not one of those old-fashioned revolutions based on new laws, institutions, or governments,.., more radical, a revolution of human relationships.” (Krznaric, S. 9)

[6] “Empathie ist meines Erachtens nicht nur zur Stärkung von Mitgefühl wichtig, sondern für jeglichen Umgang mit anderen.” (Dalai Lama/Cutler, S.56) His Holiness said the ability of compassion and open attitude towards others is an important path to attaining internal peace. His Holiness also said that empathy and compassion also play a role in solving global problems, including climate change.” (Dalai Lama, Lecture November 30th 2008)

[7] „Of all sentiments that have potential to alter what we do interculturally, none are more important than empathy or sympathy. Although both sympathy and empathy are crucial in human understanding, above all, empathy is the crucible of intercultural relations. Empathy helped us to understand people whose values, views, and behavior are different from our own.” (Calloway-Thomas, S.7)

[8] Roger Joseph Ebert, Pulitzer Prize-winning American film critic and screenwriter

[9] Ähnliche Begrifflichkeiten oder Theorien und Annahmen, welche zu dem Begriff hinführten, sind historisch schon weitaus früher zu finden, immer da, wo Philosophen sich mit ureigenen menschlichen Fragestellungen auseinandergesetzt haben. (Anm.d.A)

[10] (Vgl. Decety, Ickes, S.7 ff)

[11] „Bis zum heutigen Zeitpunkt existiert keine einheitliche Definition von Empathie. Eine wesentliche Ursache dafür schein zu sein, (…) dass Empathie nicht als einfacher, subjektiver Einfühlungsvorgang erklärt werden kann. (…) Sie zeigen insgesamt an, dass Empathie ein mehrfaktorielles Phänomen ist.“ (Baumann, S.15)

[12] (Krznaric, S.X)

[13] (Jamison, S.12)

[14] „Over the years, however the research keeps piling up, and it points strongly to the conclusion that a high degree of empathy in relationships is possibly the most potent and certainly one of the most potent factors in bringing about change and learning.” (Rogers 1975, S.2)

[15] „Zahlreiche Unternehmen haben unter wachsendem Einfluss der Globalisierung erkannt, wie bedeutsam das emotionale Verständnis ihrer Mitarbeiter für fremde Kulturen ist.“ (Schmid, S. 44)

[16] ( vgl.Riedel, S.22 ff)

[17] (Vgl. Baumann, S.74)

[18] “To listen to oneself is a prerequisite to listening to others.“ (Rogers/Farson 2015, S. 19)

[19] (Vgl. Baumann, S.67)

[20] (Vgl. Baumann, S.67)

[21] „You cannot have any concern or sacrifice for another person if you do not recognize when that person is suffering. ..You will not know they are suffering unless you have emotion recognition.” (Dalai Lama/Ekman, S.177)

[22] „Die Charta der Vielfalt ist eine Unternehmensinitiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ist Schirmherrin. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz, unterstützt die Initiative.

…Die Initiative will die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Unternehmenskultur in Deutschland voranbringen Die Vielfalt der modernen Gesellschaft, beeinflusst durch die Globalisierung und den demografischen Wandel, prägt das Wirtschaftsleben in Deutschland. Wir können wirtschaftlich nur erfolgreich sein, wenn wir die vorhandene Vielfalt erkennen und nutzen. Das betrifft die Vielfalt in unserer Belegschaft und die vielfältigen Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden sowie unserer Geschäftspartner.“ (Charta der Vielfalt: http://www.charta-der-vielfalt.de/charta-der-vielfalt/ueber-die-charta.html)

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Longa Dressler

Intercultural Communication and Cooperation (MA), Professional Coach, post-graduate Change-Manager, Organisational Structuralist, Sports Trainer, Self-employed.